Die schönsten Märchen von Andersen
H.C. Andersen - Die schönsten Märchen
2Des Kaisers neue Kleider
Vor vielen Jahren lebte ein Kaiser, der so ungeheuer viel auf neue Kleider hielt, daß er all sein Geld dafür ausgab, um recht geputzt zu sein. Er kümmerte sich nicht um seine Soldaten, kümmerte sich nicht um Theater und liebte es nicht, in den Wald zu fahren, außer um seine neuen Kleider zu zeigen. Er hatte einen Rock für jede Stunde des Tages, und ebenso wie man von einem König sagte, er ist im Rat, so sagte man hier immer: Der Kaiser ist in der Garderobe! In der großen Stadt, in der er wohnte, ging es sehr munter her. An jedem Tag kamen viele Fremde an, und eines Tages kamen auch zwei BetrügLies das Märchen → 3Moorkönigs Tochter
Die Störche erzählen ihren Jungen gar viele Märchen, und alle handeln von Sumpf und Moor; gewöhnlich sind sie dem Alter und Fassungsvermögen angepaßt. Die kleinsten sind schon entzückt, wenn man Kribble, krabble, plurremurre sagt, das finden sie sehr ergötzlich; aber die älteren wollen Geschichten mit tieferem Inhalt hören, am liebsten, wenn sie von der Familie handeln. Von den zwei ältesten und längsten Märchen, die sich bei den Störchen erhalten haben, kennen wir alle das eine, das von Moses, der von seiner Mutter in den Fluten des Nils ausgesetzt und von der Tochter des Königs gefunden wurdLies das Märchen → 5Der letzte Tag
Der heiligste von allen unseren Lebenstagen ist der Tag, an dem wir sterben; das ist der letzte Tag, der heilige, große Tag der Verwandlung. Hast Du schon einmal von rechtem Ernste erfüllt über diese mächtige, und allen gewisse letzte Stunde auf Erden nachgedacht? Da war einmal ein Mann, ein Strenggläubiger, wie er genannt wurde, ein Streiter für das Wort, das ihm Gesetz war, ein eifernder Diener eines eifernden Gottes. – Nun stand der Tod an seinem Bette. Der Tod mit seinem strengen himmlischen Antlitz. Die Stunde ist gekommen, da Du mir folgen sollst! sagte der Tod; er berührte mit seinen eiLies das Märchen →
7Der kleine Klaus und der große Klaus
In einem Dorfe wohnten zwei Leute, die beide denselben Namen hatten. Beide hießen Klaus, aber der eine besaß vier Pferde und der andere nur ein einziges. Um sie nun voneinander unterscheiden zu können, nannte man den, der vier Pferde besaß, den großen Klaus, und den, der nur ein einziges hatte, den kleinen Klaus. Nun wollen wir hören, wie es den beiden erging, denn es ist eine wahre Geschichte. Die ganze Woche hindurch mußte der kleine Klaus für den großen Klaus pflügen und ihm sein einziges Pferd leihen, dann half der große Klaus ihm wieder mit allen seinen vieren, aber nur einmal wöchentlichLies das Märchen → 9Tölpel-Hans
Tief im Innern des Landes lag ein alter Herrenhof; dort war ein Gutsherr, der zwei Söhne hatte, die sich so witzig und gewitzigt dünkten, daß die Hälfte genügt hätte. Sie wollten sich nun um die Königstochter bewerben, denn die hatte öffentlich anzeigen lassen, sie wolle den zum Ehegemahl wählen, der seine Worte am besten zu stellen wisse. Die beiden bereiteten sich nun volle acht Tage auf die Bewerbung vor, die längste, aber allerdings auch genügende Zeit, die ihnen vergönnt war, denn sie hatten Vorkenntnisse, und wie nützlich die sind, weiß jedermann. Der eine wußte das ganze lateinische WörLies das Märchen → 13Vogel Phönix
Im Garten des Paradieses, unter dem Baume der Erkenntnis, stand ein Rosenstrauch. Hier, in der ersten Rose, wurde ein Vogel geboren, dessen Flug war wie der des Lichts, herrlich war seine Farbe und herrlich sein Gesang. Als aber Eva die Frucht der Erkenntnis brach und sie und Adam aus dem Garten des Paradieses gejagt wurden, fiel vom flammenden Schwerte des strafenden Engels ein Funken in das Nest des Vogels und zündete es an. Der Vogel starb in den Flammen, aber aus dem glühenden Ei flog ein neuer, der einzige, der stets einzige Vogel Phönix. Die Sage meldet, daß er in Arabien nistet und sichLies das Märchen → 14Das Mädchen, das auf das Brot trat
Die Geschichte von dem Mädchen, das auf das Brot trat, um sich die Schuhe nicht zu beschmutzen, und dem es dann gar schlecht erging, ist wohlbekannt, sie ist geschrieben und sogar gedruckt. Inge hieß das Mädchen; sie war ein armes Kind, stolz und hochmütig; es war ein schlechter Kern in ihr, wie man sagt. Schon als ganz kleines Kind hatte sie ihre Freude daran, Fliegen zu fangen diesen die Flügel auszurupfen und sie so in Kriechtiere zu verwandeln. Später nahm sie den Maikäfer und den Mistkäfer, steckte jeden an eine Nadel, schob dann ein grünes Blatt oder ein kleines Stück Papier zu ihren FüßLies das Märchen → 16Die Schnellläufer
Es war ein Preis ausgesetzt, ja, es waren zwei ausgesetzt, ein kleiner und ein großer, für die größte Schnelligkeit, aber nicht etwa bei einem Laufe, sondern über das ganze Jahr verteilt. Ich bekam den ersten Preis sagte der Hase; Gerechtigkeit muß doch sein, wenn die eigene Familie und gute Freunde mit im Rate sitzen; aber daß die Schnecke den zweiten Preis bekam, finde ich beinahe beleidigend für mich! Nein, versicherte der Zaunpfahl, der bei der Preisverteilung Zeuge gewesen war, es muß auch Fleiß und guter Wille berücksichtigt werden, das wurde von mehreren achtbaren Personen gesagt, und dLies das Märchen → 21Der Engel
Jedesmal, wenn ein gutes Kind stirbt, kommt ein Engel Gottes zur Erde hernieder, nimmt das tote Kind auf seine Arme, breitet die großen, weißen Flügel aus und pflückt eine ganze Handvoll Blumen, die er zu Gott hinaufbringt, damit sie dort noch schöner als auf der Erde blühen. Gott drückt sie dort an sein Herz, aber der Blume, die ihm die liebste ist, gibt er einen Kuß, und dann bekommt sie Stimme und kann in der großen Glückseligkeit mitsingen. Sieh, alles dieses erzählte ein Engel Gottes, während er ein totes Kind zum Himmel forttrug, und das Kind hörte wie im Traume; sie flogen über die StätLies das Märchen → 25Die Geschichte von einer Mutter
Eine Mutter saß bei ihrem kleinen Kinde. Sie war so betrübt und hatte so große Angst, daß es sterben würde. Es war so bleich; die kleinen Augen hatten sich geschlossen. Der Atem ging ganz leise, nur mitunter tat es einen tiefen Zug gleich einem Seufzer, und die Mutter blickte immer sorgenvoller auf das kleine Wesen. Da klopfte es an die Tür, und herein kam ein armer, alter Mann, der, wie es schien, in eine große Pferdedecke gehüllt war; denn die wärmt, und das tat ihm not; es war ja kalter Winter. Draußen lag alles mit Eis und Schnee bedeckt, und der Wind blies, daß es einem ins Gesicht schnitLies das Märchen →