Die Geschichte des Jahres


The story of the year


Es war in den letzten Tagen des Januar; ein fürchterlicher Schneesturm trieb daher. Der Schnee fegte wirbelnd durch die Straßen und Gassen. Die Fensterscheiben waren außen wie vom Schnee gepolstert, von den Dächern stürzte er in ganzen Haufen und die Leute hasteten vorwärts; sie liefen, sie flogen und stürzten einander in die Arme, hielten sich aneinander einen Augenblick fest und hatten wenigstens solange einen Halt. Wagen und Pferde waren gleichsam überpudert, die Diener standen mit dem Rücken gegen den Wagen gelehnt, um sich vor dem Winde zu schützen, und die Fußgänger suchten beständig Deckung hinter den Wagen, die nur langsam in dem tiefen Schnee von der Stelle kamen. Als sich endlich der Sturm legte, und ein schmaler Fußsteig längs den Häusern ausgeworfen wurde, standen die Leute doch noch stille, wenn sie sich begegneten. Keiner von ihren hatte Lust, den ersten Schritt in den tiefen Schnee an den Seiten zu tun, damit der andere vorüber könne. Schweigend standen sie still, bis endlich, fast wie in einer stummen Übereinkunft, jeder von ihnen ein Bein preisgab und es in dem Schneehaufen versinken ließ.
It was near the end of January, and a terrible fall of snow was pelting down, and whirling through the streets and lanes; the windows were plastered with snow on the outside, snow fell in masses from the roofs. Every one seemed in a great hurry; they ran, they flew, fell into each other's arms, holding fast for a moment as long as they could stand safely. Coaches and horses looked as if they had been frosted with sugar. The footmen stood with their backs against the carriages, so as to turn their faces from the wind. The foot passengers kept within the shelter of the carriages, which could only move slowly on in the deep snow. At last the storm abated, and a narrow path was swept clean in front of the houses; when two persons met in this path they stood still, for neither liked to take the first step on one side into the deep snow to let the other pass him. There they stood silent and motionless, till at last, as if by tacit consent, they each sacrificed a leg and buried it in the deep snow.

Gegen Abend wurde es windstill. Der Himmel sah aus wie gefegt und höher und durchsichtiger als zuvor; die Sterne waren funkelfnagelneu und glänzten blau und klar. Dabei fror es, daß der Schnee krachte. Bei dem Wetter konnte wohl die oberste Schneeschicht so fest werden, daß sie am Morgen die Spatzen trug; die hüpften bald oben herum bald unten, wo geschaufelt war; viel Nahrung war jedoch nicht zu finden und sie froren bitterlich.
Towards evening, the weather became calm. The sky, cleared from the snow, looked more lofty and transparent, while the stars shone with new brightness and purity. The frozen snow crackled under foot, and was quite firm enough to bear the sparrows, who hopped upon it in the morning dawn. They searched for food in the path which had been swept, but there was very little for them, and they were terribly cold.

"Piep" sagte der eine zum anderen, "das nennt man nun das neue Jahr. Es ist ja schlimmer als das alte. Dann hätten wir es ebensogut behalten können. Ich bin schlechter Laune, und dazu habe ich guten Grund."
"Tweet, tweet," said one to another; "they call this a new year, but I think it is worse than the last. We might just as well have kept the old year; I'm quite unhappy, and I have a right to be so."

"Ja, da liefen nun die Menschen umher und schossen das neue Jahr ein," sagte ein kleiner verfrorener Spatz. "Sie warfen Töpfe gegen die Türen und waren rein außer sich vor Freude, daß nun das alte Jahr vergangen war. Und ich war auch froh darüber, denn ich erwartete, daß wir nun warme Tage bekommen würden, aber daraus ist nichts geworden! Es friert noch viel stärker als zuvor; die Menschen haben sich in der Zeitrechnung geirrt!"
"Yes, you have; and yet the people ran about and fired off guns, to usher in the new year," said a little shivering sparrow. "They threw things against the doors, and were quite beside themselves with joy, because the old year had disappeared. I was glad too, for I expected we should have some warm days, but my hopes have come to nothing. It freezes harder than ever; I think mankind have made a mistake in reckoning time."

"Das haben sie" sagte ein Dritter, der schon alt und weißköpfig war. "Sie haben da etwas, das sie den Kalender nennen. Das ist ihre eigene Erfindung, und deshalb soll sich alles danach richten, aber das tut es nicht. Wenn der Frühling kommt, beginnt das Jahr. Das ist der Lauf der Natur und danach rechne ich."
"That they have," said a third, an old sparrow with a white poll; "they have something they call a calendar; it's an invention of their own, and everything must be arranged according to it, but it won't do. When spring comes, then the year begins. It is the voice of nature, and I reckon by that."

"Aber wann kommt der Frühling?" fragten die anderen.
"But when will spring come?" asked the others.

"Der kommt, wenn der Storch kommt; aber damit ist es ziemlich unbestimmt. Hier in der Stadt ist keiner, der etwas davon versteht. Auf dem Lande draußen wissen sie es besser. Wollen wir hinaus fliegen und warten? Dort ist man doch dem Frühling näher."
"It will come when the stork returns, but he is very uncertain, and here in the town no one knows anything about it. In the country they have more knowledge; shall we fly away there and wait? we shall be nearer to spring then, certainly."

"Ja, das ist ein guter Gedanke!" sagte einer von denen, die lange auf und ab gehüpft waren und gepiept hatten, ohne eigentlich etwas zu sagen. "Ich habe hier in der Stadt allerdings einige Bequemlichkeiten, die ich fürchte, draußen entbehren zu müssen. Hier in der Nähe in einem Hofe wohnt eine Menschenfamilie, die den vernünftigen Gedanken gehabt, hat, an der Wand drei bis vier Blumentöpfe mit der großen Öffnung nach innen und dem Boden nach außen anzunageln. Dort ist ein Loch hineingeschnitten, das gerade so groß ist, daß ich aus und ein fliegen kann. Dort habe ich mit meinem Manne genistet, und von dort sind alle unsere Jungen ausgeflogen. Die Menschenfamilie hat das Ganze natürlich nur eingerichtet, um das Vergnügen zu haben, uns zu beobachten, sonst hätten sie es wohl kaum getan. Sie streuen Brotkrumen hin, natürlich auch zu ihrem Vergnügen, und wir haben dadurch Nahrung. Es ist sozusagen für uns gesorgt, – und deshalb glaube ich, daß ich bleibe und daß auch mein Mann bleibt, obgleich wir sehr unzufrieden sind, – aber wir bleiben!"
"That may be all very well," said another sparrow, who had been hopping about for a long time, chirping, but not saying anything of consequence, "but I have found a few comforts here in town which, I'm afraid, I should miss out in the country. Here in this neighborhood, there lives a family of people who have been so sensible as to place three or four flower-pots against the wall in the court-yard, so that the openings are all turned inward, and the bottom of each points outward. In the latter a hole has been cut large enough for me to fly in and out. I and my husband have built a nest in one of these pots, and all our young ones, who have now flown away, were brought up there. The people who live there of course made the whole arrangement that they might have the pleasure of seeing us, or they would not have done it. It pleased them also to strew bread-crumbs for us, and so we have food, and may consider ourselves provided for. So I think my husband and I will stay where we are; although we are not very happy, but we shall stay."

"Und wir fliegen hinaus aufs Land, um zu sehen, ob nicht das Frühjahr kommt." Und dann flogen sie.
"And we will fly into the country," said the others, "to see if spring is coming." And away they flew.

Aber es war eisiger Winter draußen auf dem Lande; es fror noch ein paar Grade mehr als in der Stadt drinnen. Der scharfe Wind blies über die schneebedeckten Felder. Der Bauer, mit großen Fausthandschuhen an den Händen, saß auf dem Schlitten und schlug die Arme übereinander, um die Kälte auszuhalten. Die Peitsche lag in seinem Schoße, die mageren Pferde liefen, daß sie dampften, der Schnee knirschte und die Spatzen hüpften in den Kufenspuren und froren. "Piep! wann kommt der Frühling? Es dauert so lange!"
In the country it was really winter, a few degrees colder than in the town. The sharp winds blew over the snow-covered fields. The farmer, wrapped in warm clothing, sat in his sleigh, and beat his arms across his chest to keep off the cold. The whip lay on his lap. The horses ran till they smoked. The snow crackled, the sparrows hopped about in the wheel-ruts, and shivered, crying, "Tweet, tweet; when will spring come? It is very long in coming."

"Solange!" erklang es über die Felder von dem schneebedeckten Hügel her. Es konnte das Echo sein, was man hörte, aber es konnte auch die Rede des wunderlichen alten Mannes sein, der oben auf der Schneewehe in Wind und Wetter saß. Er war ganz weiß, gerade wie ein Bauer im weißen Flauschmantel, mit langem weißen Haar, weißem Barte, ganz bleich und mit großen, klaren Augen.
"Very long indeed," sounded over the field, from the nearest snow-covered hill. It might have been the echo which people heard, or perhaps the words of that wonderful old man, who sat high on a heap of snow, regardless of wind or weather. He was all in white; he had on a peasant's coarse white coat of frieze. He had long white hair, a pale face, and large clear blue eyes.

"Wer ist der Alte dort?" fragten die Spatzen.
"Who is that old man?" asked the sparrows.

"Das weiß ich!" sagte ein alter Rabe, der auf einem Zaunpfahle saß und herablassend genug war, anzuerkennen, daß wir alle vor Gott nur kleine Vögel sind, und sich deshalb auch mit den Spatzen einließ und eine Erklärung abgab. "Ich weiß, wer der Alte ist. Das ist der Winter, der alte Mann vom vorigen Jahr; er ist nicht tot, wie der Kalender sagt, nein, er ist sozusagen der Vormund des kleinen Prinzen Frühling, der nun kommt. Ja, der Winter führt das Regiment. Hu! Ihr klappert ja ordentlich, Ihr Kleinen!"
"I know who he is," said an old raven, who sat on the fence, and was condescending enough to acknowledge that we are all equal in the sight of Heaven, even as little birds, and therefore he talked with the sparrows, and gave them the information they wanted. "I know who the old man is," he said. "It is Winter, the old man of last year; he is not dead yet, as the calendar says, but acts as guardian to little Prince Spring who is coming. Winter rules here still. Ugh! the cold makes you shiver, little ones, does it not?"

"Na, was habe ich immer gesagt?" sagte der kleinste. "Der Kalender ist eine Menschenerfindung! die sich nicht in die Natur einfügen will. Das sollten sie lieber uns überlassen, uns, die wir mit viel feineren Sinnen begabt sind."
"There! Did I not tell you so?" said the smallest of the sparrows. "The calendar is only an invention of man, and is not arranged according to nature. They should leave these things to us; we are created so much more clever than they are."

Und es verging eine Woche, es vergingen fast zwei; der Wald war schwarz, der gefrorene See lag schwer und sah aus wie erstarrtes Blei. Die Wolken, ja, das waren keine Wolken, das war nasser, eiskalter Nebel, der über der Erde hing. Die großen, schwarzen Krähen flogen in Scharen ohne jeden Schrei; es war, als schliefe alles. – Da glitt ein Sonnenstrahl über den See, und er glänzte wie geschmolzenes Zinn. Die Schneedecke über den Feldern und oben auf der Anhöhe schimmerte nicht mehr wie zuvor, aber die weiße Gestalt, der Winter selbst, saß dort noch immer, den Blick stets gen Süden gerichtet. Er bemerkte es gar nicht, daß der Schneeteppich gleichsam in die Erde versank und daß hie und da ein kleiner grasgrüner Fleck zum Vorschein kam; da wimmelte es dann von Spatzen.
One week passed, and then another. The forest looked dark, the hard-frozen lake lay like a sheet of lead. The mountains had disappeared, for over the land hung damp, icy mists. Large black crows flew about in silence; it was as if nature slept. At length a sunbeam glided over the lake, and it shone like burnished silver. But the snow on the fields and the hills did not glitter as before. The white form of Winter sat there still, with his un-wandering gaze fixed on the south. He did not perceive that the snowy carpet seemed to sink as it were into the earth; that here and there a little green patch of grass appeared, and that these patches were covered with sparrows.

"Quivit, Quivit, kommt nun der Frühling?"
"Tee-wit, tee-wit; is spring coming at last?"

"Der Frühling" klang es über Feld und Wiese und durch die schwarzbraunen Wälder, in denen das Moos frischgrün auf den Baumstämmen leuchtete. Und durch die Luft kamen von Süden her die ersten zwei Störche gezogen. Auf dem Rücken jedes von ihnen saß ein kleines schönes Kind, ein Knabe und ein Mädchen. Sie küßten die Erde zum Willkomm, und wohin sie ihren Fuß setzten, wuchsen weiße Blumen unter dem Schnee hervor. Hand in Hand gingen sie hinauf zu dem alten Eismanne, dem Winter, und legten sich zu neuem Gruße an seine Brust, und in demselben Augenblick waren sie alle drei verschwunden, und die ganze Landschaft war verschwunden. Ein dicker, nasser Nebel, dicht und schwer, umhüllte alles. – Ein wenig später blies ein Lüftlein, dann fuhr der Wind daher mit starken Stößen und jagte den Nebel fort, und die Sonne schien warm. Der Winter selbst war verschwunden und des Frühlings schöne Kinder saßen auf dem Throne des Jahres.
Spring! How the cry resounded over field and meadow, and through the dark-brown woods, where the fresh green moss still gleamed on the trunks of the trees, and from the south came the two first storks flying through the air, and on the back of each sat a lovely little child, a boy and a girl. They greeted the earth with a kiss, and wherever they placed their feet white flowers sprung up from beneath the snow. Hand in hand they approached the old ice-man, Winter, embraced him and clung to his breast; and as they did so, in a moment all three were enveloped in a thick, damp mist, dark and heavy, that closed over them like a veil. The wind arose with mighty rustling tone, and cleared away the mist. Then the sun shone out warmly. Winter had vanished away, and the beautiful children of Spring sat on the throne of the year.

"Das nenne ich Neujahr" sagten die Spatzen "Nun werden wir wohl wieder in unsere Rechte eingesetzt und bekommen Ersatz für den strengen Winter."
"This is really a new year," cried all the sparrows, "now we shall get our rights, and have some return for what we suffered in winter."

Wohin die beiden Kinder sich wandten, sproßten grüne Knospen an Büschen und Bäumen hervor, wurde das Gras höher und die Saatfelder grüner und schöner. Und ringsum streute das kleine Mädchen Blumen. Sie hatte einen ganzen Überfluß davon in ihrem Schürzchen, sie schienen daraus hervorzuquellen, stets war es gefüllt, wie eifrig sie auch streute. In ihrer Eilfertigkeit schüttelte sie einen wahren Blütenschnee über die Äpfel- und Pfirsichbäume, so daß sie in voller Pracht dastanden, noch bevor sie grüne Blätter hatten.
Wherever the two children wandered, green buds burst forth on bush and tree, the grass grew higher, and the corn-fields became lovely in delicate green. The little maiden strewed flowers in her path. She held her apron before her: it was full of flowers; it was as if they sprung into life there, for the more she scattered around her, the more flowers did her apron contain. Eagerly she showered snowy blossoms over apple and peach-trees, so that they stood in full beauty before even their green leaves had burst from the bud.

Und sie klatschte in die Hände und der Knabe klatschte ebenfalls. Da kamen alle Vögel hervor, man wußte nicht woher, und alle zwitscherten und sangen: "Der Frühling ist gekommen!"
Then the boy and the girl clapped their hands, and troops of birds came flying by, no one knew from whence, and they all twittered and chirped, singing "Spring has come!" How beautiful everything was!

Es war herrlich anzuschauen. Und manches alte Mütterchen kam aus seiner Tür in den Sonnenschein hinaus, sah sich ringsum und erblickte die vielen gelben Blumen, die die ganze Wiese bedeckten gerade wie in ihren jungen Jahren. Die Welt wurde wieder einmal jung. "Es ist ein gesegneter Tag heute" sagte sie.
Many an old dame came forth from her door into the sunshine, and shuffled about with great delight, glancing at the golden flowers which glittered everywhere in the fields, as they used to do in her young days. The world grew young again to her, as she said, "It is a blessed time out here to-day."

Der Wald war noch braungrün und Knospe stand an Knospe, aber der Waldmeister war schon da, frisch und duftend. Die Veilchen standen in Mengen, und es gab Anemonen und gelbe Kuhblumen, ja, in jedem Grashalm war Saft und Kraft; es war wirklich ein Prachtteppich, der förmlich zum Sitzen aufforderte, und dort saß das junge Frühlingspaar, hielt sich an des Händen und sang und lächelte und wuchs und wuchs.
The forest already wore its dress of dark-green buds. The thyme blossomed in fresh fragrance. Primroses and anemones sprung forth, and violets bloomed in the shade, while every blade of grass was full of strength and sap. Who could resist sitting down on such a beautiful carpet? and then the young children of Spring seated themselves, holding each other's hands, and sang, and laughed, and grew.

Ein milder Regen fiel vom Himmel auf sie herab; sie merkten es nicht. Regentropfen und Freudentränen vereinigten sich zu einem einzigen Tropfen. Braut und Bräutigam küßten einander, und im Nu schlug der ganze Wald aus. – Als die Sonne aufging, waren alle Wälder grün.
A gentle rain fell upon them from the sky, but they did not notice it, for the rain-drops were their own tears of joy. They kissed each other, and were betrothed; and in the same moment the buds of the trees unfolded, and when the sun rose, the forest was green.

Und Hand in Hand ging das Brautpaar unter dem frischen, hängenden Laubdach, wo nur des Sonnenlichts Strahlen und die Schlagschatten einen Farbenwechsel in all dem Grün hervorzauberten. Eine jungfräuliche Reinheit und ein erfrischender Duft lag über den feinen Blättern. Klar und lebhaft rieselten Bächlein und Quellen zwischen dem samtgrünen Schilfe und über die glitzernden Steine dahin. "Und so ist es und bleibt es ewiglich" sagte die ganze Natur. Und der Kuckuck rief und die Lerche trillerte, und der schöne Frühling war da. Nur die Weiden trugen noch Wollhandschuhe über ihren Blüten, sie waren eben so übervorsichtig, und das ist langweilig!
Hand in hand the two wandered beneath the fresh pendant canopy of foliage, while the sun's rays gleamed through the opening of the shade, in changing and varied colors. The delicate young leaves filled the air with refreshing odor. Merrily rippled the clear brooks and rivulets between the green, velvety rushes, and over the many-colored pebbles beneath. All nature spoke of abundance and plenty. The cuckoo sang, and the lark carolled, for it was now beautiful spring. The careful willows had, however, covered their blossoms with woolly gloves; and this carefulness is rather tedious.

Und so vergingen Tage und Wochen, die Wärme strömte zur Erde nieder; heiße Luftwellen gingen durch das Korn, das sich mehr und mehr gelb färbte. Des Nordens weiße Lotosblume breitete auf den Waldseen ihre großen, grünen Blätter über dem Wasserspiegel aus, und die Fische suchten den Schatten darunter. Auf der windgeschützten Seite des Waldes, wo die Sonne auf die Wände des Bauernhauses hinab brannte und die aufgeblühten Rosen tüchtig durchwärmte und wo die Kirschenbäume voller saftiger, schwarzer, fast sonnenheißer Kirschen hingen, saß des Sommers herrliches Weib, sie, die wir schon als Kind und Braut sahen. Sie sah in die aufsteigenden dunklen Wolken, die wogenförmig, den Bergen gleich, sich schwarzblau und schwer höher und höher erhoben. Von drei Seiten kamen sie; mehr und mehr senkten sie sich wie ein versteinertes Meer gegen den Wald hinab, wo alles wie verzaubert stille schwieg. Jedes Lüftchen hatte sich gelegt, jeder Vogel schwieg, Ernst und Erwartung lagen über der ganzen Natur. Aber auf den Wegen und Steigen eilten Fahrende, Reitende und Gehende vorwärts, um unter Dach zu kommen. – Da leuchtete es mit einem Male auf, als breche die Sonne hervor, blinkend, blendend, verbrennend, und unter rollendem Krachen versank wieder alles im Dunkel. Das Wasser stürzte in Strömen vom Himmel; es wurde Nacht und wieder Licht, es ward totenstille, und dann donnerte es wieder. Die jungen braungefiederten Rohrstengel im Sumpfe bewegten sich wogend auf und nieder, die Zweige des Waldes verbargen sich unter einer Regenhülle; Dunkel und Licht, Stille und Donner wechselten unaufhörlich. Gras und Korn lagen wie niedergeschlagen, wie zur Erde gespült, als könnten sie sich nie wieder erheben. – Plötzlich wurden aus dem Regen einzelne Tropfen, die Sonne schien und von Gräsern und Blättern blinkten die Wassertropfen wie Perlen, die Vögel sangen wieder, die Fische sprangen im Wasser des Baches, die Mücken tanzten, und draußen auf den Steinen im salzigen, gepeitschten Meereswasser saß der Sommer selbst, der kräftige Mann mit den fülligen Gliedern, dem triefenden Haar – verjüngt vom frischen Bade saß er im warmen Sonnenschein. Die ganze Natur ringsum war verjüngt. Alles stand reich und kräftig und schön; es war Sommer, warmer, herrlicher Sommer.
Days and weeks went by, and the heat increased. Warm air waved the corn as it grew golden in the sun. The white northern lily spread its large green leaves over the glossy mirror of the woodland lake, and the fishes sought the shadows beneath them. In a sheltered part of the wood, the sun shone upon the walls of a farm-house, brightening the blooming roses, and ripening the black juicy berries, which hung on the loaded cherry-trees, with his hot beams. Here sat the lovely wife of Summer, the same whom we have seen as a child and a bride; her eyes were fixed on dark gathering clouds, which in wavy outlines of black and indigo were piling themselves up like mountains, higher and higher. They came from every side, always increasing like a rising, rolling sea. Then they swooped towards the forest, where every sound had been silenced as if by magic, every breath hushed, every bird mute. All nature stood still in grave suspense. But in the lanes and the highways, passengers on foot or in carriages were hurrying to find a place of shelter. Then came a flash of light, as if the sun had rushed forth from the sky, flaming, burning, all-devouring, and darkness returned amid a rolling crash of thunder. The rain poured down in streams,– now there was darkness, then blinding light,– now thrilling silence, then deafening din. The young brown reeds on the moor waved to and fro in feathery billows; the forest boughs were hidden in a watery mist, and still light and darkness followed each other, still came the silence after the roar, while the corn and the blades of grass lay beaten down and swamped, so that it seemed impossible they could ever raise themselves again. But after a while the rain began to fall gently, the sun's rays pierced the clouds, and the water-drops glittered like pearls on leaf and stem. The birds sang, the fishes leaped up to the surface of the water, the gnats danced in the sunshine, and yonder, on a rock by the heaving salt sea, sat Summer himself, a strong man with sturdy limbs and long, dripping hair. Strengthened by the cool bath, he sat in the warm sunshine, while all around him renewed nature bloomed strong, luxuriant, and beautiful: it was summer, warm, lovely summer.

Lieblich und süß war der Duft, der von dem üppigen Kleefelde herüberwehte, die Bienen summten um das uralte Thing, die Bromheerranken wanden sich um den Opferaltar, der vom Regen gewaschen im Sonnenlichte glänzte. Dorthin flog die Bienenkönigin mit ihrem Schwarm und setzte dort Wachs und Honig an. Niemand sah es außer dem Sommer und seinem kräftigen Weibe; für sie allein stand der Altartisch gedeckt mit den Opfergaben der Natur.
Sweet and pleasant was the fragrance wafted from the clover-field, where the bees swarmed round the ruined tower, the bramble twined itself over the old altar, which, washed by the rain, glittered in the sunshine; and thither flew the queen bee with her swarm, and prepared wax and honey. But Summer and his bosom-wife saw it with different eyes, to them the altar-table was covered with the offerings of nature.

Der Abendhimmel erstrahlte wie Gold, keine Kirchenkuppel war so reich, und der Mond leuchtete zwischen Abend- und Morgenrot. Es war Sommerszeit.
The evening sky shone like gold, no church dome could ever gleam so brightly, and between the golden evening and the blushing morning there was moonlight. It was indeed summer.

Und es vergingen Wochen und Tage. – Der Schnitter blanke Sensen blinkten in den Kornfeldern. Die Zweige der Apfelbäume beugten sich unter der Last ihrer gelben und roten Früchte; der Hopfen duftete köstlich und hing in großen Knospen, und unter dem Haselbusch, an dem die Nüsse in schweren Büscheln hingen, ruhten Mann und Frau, der Sommer und sein tiefernstes Weib.
And days and weeks passed, the bright scythes of the reapers glittered in the corn-fields, the branches of the apple-trees bent low, heavy with the red and golden fruit. The hop, hanging in clusters, filled the air with sweet fragrance, and beneath the hazel-bushes, where the nuts hung in great bunches, rested a man and a woman– Summer and his grave consort.

"Welcher Reichtum" sagte sie. "Rundum ruht Segen, heimlich und gut, über allem, und doch, ich weiß selbst nicht, ich sehne mich nach Ruhe – Stille. Ich finde nicht das rechte Wort dafür. Nun pflügen sie schon wieder auf den Feldern! Mehr und immer mehr wollen die Menschen gewinnen! – Sieh, die Störche kommen schon in Scharen und gehen hinter dem Pfluge her, Ägyptens Vögel, die uns durch die Lüfte trugen. Erinnerst Du Dich, wie wir beide als Kinder hierher nach den Ländern des Nordens kamen? – Blumen brachten wir her, herrlichen Sonnenschein und grüne Wälder, nun hat sie der Wind schon tüchtig zerzaust, sie werden braun und dunkel wie des Südens Bäume, aber sie tragen nicht, wie diese, goldene Früchte."
"See," she exclaimed, "what wealth, what blessings surround us. Everything is home-like and good, and yet, I know not why, I long for rest and peace; I can scarcely express what I feel. They are already ploughing the fields again; more and more the people wish for gain. See, the storks are flocking together, and following the plough at a short distance. They are the birds from Egypt, who carried us through the air. Do you remember how we came as children to this land of the north; we brought with us flowers and bright sunshine, and green to the forests, but the wind has been rough with them, and they are now become dark and brown, like the trees of the south, but they do not, like them, bear golden fruit."

"Danach sehnst Du Dich?" fragte der Sommer. "Nun so freue Dich." Er hob den Arm und die Blätter färbten sich mit Rot und mit Gold und die Wälder erstrahlten in herrlichster Farbenpracht; an den Rosenhecken leuchteten feuerrote Hagebutten, die Fliederbüsche hingen schwer zur Erde unter der Last ihrer großen schwarzbraunen Beeren, die wilden Kastanien fielen reif aus ihren dunkelgrünen Schalen und im Walde drinnen blühten die Veilchen zum zweiten Male.
"Do you wish to see golden fruit?" said the man, "then rejoice," and he lifted his arm. The leaves of the forest put on colors of red and gold, and bright tints covered the woodlands. The rose-bushes gleamed with scarlet hips, and the branches of the elder-trees hung down with the weight of the full, dark berries. The wild chestnuts fell ripe from their dark, green shells, and in the forests the violets bloomed for the second time.

Aber des Jahres Königin wurde immer stiller und bleicher. "Es weht kalt" sagte sie, "die Nacht hat nasse Nebel. – Ich sehne mich nach dem Lande der Kindheit."
But the queen of the year became more and more silent and pale. "It blows cold," she said, "and night brings the damp mist; I long for the land of my childhood."

Sie sah die Störche fortfliegen, jeden einzigen! Und sie streckte die Hände nach ihnen aus. Sie sah zu den Nestern empor, die leer standen; in einem wuchs eine langstielige Kornblume und in einem anderen der gelbe Löwenzahn, als sei das Nest nur zu ihrem Schutz und Schirm da. Und die Spatzen setzten sich hinein.
Then she saw the storks fly away every one, and she stretched out her hands towards them. She looked at the empty nests; in one of them grew a long-stalked corn flower, in another the yellow mustard seed, as if the nest had been placed there only for its comfort and protection, and the sparrows were flying round them all.

"Piep. Wo sind denn die Herrschaften geblieben! Sie können wohl nicht vertragen, daß ihnen ein bißchen Luft um die Nase weht, da sind sie gleich ins Ausland gegangen. Glück auf die Reise."
"Tweet, where has the master of the nest gone?" cried one, "I suppose he could not bear it when the wind blew, and therefore he has left this country. I wish him a pleasant journey."

Und gelber und gelber färbten sich die Wälder, Blatt nach Blatt fiel, die Herbststürme sausten; die Erntezeit ging zu Ende. Auf dem gelben Laubteppich lag die Königin des Jahres und sah mit sanften Augen zu den blinkenden Sternen empor, ihr Gemahl stand bei ihr. Ein Windstoß wirbelte das Laub auf – es fiel wieder zur Erde, aber sie war verschwunden; nur ein Schmetterling, des Jahres letzter, flog durch die kalte Luft.
The forest leaves became more and more yellow, leaf after leaf fell, and the stormy winds of Autumn howled. The year was now far advanced, and upon the fallen, yellow leaves, lay the queen of the year, looking up with mild eyes at a gleaming star, and her husband stood by her. A gust of wind swept through the foliage, and the leaves fell in a shower. The summer queen was gone, but a butterfly, the last of the year, flew through the cold air.

Und die nassen Nebel kamen, die eisigen Winde und die dunklen, langen Nächte. Des Jahres Beherrscher stand mit schneeweißem Haar. Er selbst wußte nichts davon, er glaubte, es seien Schneeflocken, die aus den Wolken niederfielen; eine dünne .Schneedecke legte sich über die grünen Felder.
Damp fogs came, icy winds blew, and the long, dark nights of winter approached. The ruler of the year appeared with hair white as snow, but he knew it not; he thought snow-flakes falling from the sky covered his head, as they decked the green fields with a thin, white covering of snow.

Die Kirchenglocken läuteten die Weihnachtszeit ein.
And then the church bells rang out for Christmas time.

"Die Glocken der Geburt klingen!" sagte des Jahres Beherrscher. "Bald wird das neue Herrscherpaar geboren, und ich gehe zur Ruhe wie sie. Zur Ruhe bei den blinkenden Sternen."
"The bells are ringing for the new-born year," said the ruler, "soon will a new ruler and his bride be born, and. I shall go to rest with my wife in yonder light-giving star."

Und in dem frischen, grünen Tannenwald, über dem der Schnee lag, stand der Weihnachtsengel und weihte die jungen Bäume, die zum Fest kommen sollten.
In the fresh, green fir-wood, where the snow lay all around, stood the angel of Christmas, and consecrated the young trees that were to adorn his feast.

"Freude in den Stuben und unter den grünen Zweigen" sagte des Jahres greiser Beherrscher; diese Wochen hatten ihn schneeweiß und uralt gemacht. "Jetzt naht die Stunde der Ruhe; des Jahres, junges Paar empfängt nun Zepter und Krone."
"May there be joy in the rooms, and under the green boughs," said the old ruler of the year. In a few weeks he had become a very old man, with hair as white as snow. "My resting-time draws near; the young pair of the year will soon claim my crown and sceptre."

"Die Macht ist noch Dein," sagte der Weihnachtsengel, "die Macht und nicht die Ruhe! Laß den Schnee wärmend über den jungen Saaten liegen. Lerne ertragen, daß einem anderen gehuldigt wird, während Du noch Herrscher bist, lerne, vergessen zu sein und doch zu leben. Die Stunde Deiner Freiheit naht, wenn der Frühling kommt."
"But the night is still thine," said the angel of Christmas, "for power, but not for rest. Let the snow lie warmly upon the tender seed. Learn to endure the thought that another is worshipped whilst thou art still lord. Learn to endure being forgotten while yet thou livest. The hour of thy freedom will come when Spring appears."

"Wann kommt der Frühling?" fragte der Winter.
"And when will Spring come?" asked Winter.

"Er kommt, wenn der Storch kommt."
"It will come when the stork returns."

Und mit weißen Locken und schneeweißem Barte saß der Winter eiskalt, alt und gebeugt, aber stark wie der Wintersturm und des Eises Macht hoch oben auf der Schneewehe des Hügels und blickte gen Süden, wie der vorige Winter gesessen und geschaut hatte. – Das Eis krachte, der Schnee knirschte, die Schlittschuhläufer schwangen sich auf den blanken Seen, und Raben und Krähen gefielen sich auf dem weißen Grunde, kein Wind rührte sich. Und in der stillen Luft faltete der Winter die Hände und das Eis legte sich stark als Brücke zwischen die Länder.
And with white locks and snowy beard, cold, bent, and hoary, but strong as the wintry storm, and firm as the ice, old Winter sat on the snowdrift-covered hill, looking towards the south, where Winter had sat before, and gazed. The ice glittered, the snow crackled, the skaters skimmed over the polished surface of the lakes; ravens and crows formed a pleasing contrast to the white ground, and not a breath of wind stirred, and in the still air old Winter clenched his fists, and the ice lay fathoms deep between the lands.

Da kamen wieder die Spatzen aus der Stadt und fragten: "Wer ist der alte Mann dort oben?" Und der Rabe saß wieder dort, oder war es ein Sohn von ihm? aber das ist ja gleich – und er sagte zu ihnen: "Das ist der Winter. Der alte Mann vom vorigen Jahr. Er ist nicht tot, wie der Kalender sagt, sondern der Vormund des kommenden Frühlings."
Then came the sparrows again out of the town, and asked, "Who is that old man?" The raven sat there still, or it might be his son, which is the same thing, and he said to them,– "It is Winter, the old man of the former year; he is not dead, as the calendar says, but he is guardian to the spring, which is coming."

"Wann kommt der Frühling?" fragten die Spatzen, "dann bekommen wir bessere Zeiten und ein mildes Regiment. Das alte taugte nichts!"
"When will Spring come?" asked the sparrows, "for we shall have better times then, and a better rule. The old times are worth nothing."

Und in stillen Gedanken nickte der Winter zum blätterlosen, schwarzen Walde hinüber, wo jeder Baum seiner Zweige herrliche Form und Biegung zeigte, und über ihren Winterschlaf legten sich der Wolken eiskalte Nebel. Der Herrscher träumte von seinen Jugend- und Mannesjahren und als es tagte, stand der ganze Wald mit glitzerndem Rauhreif überschüttet; das war der Sommertraum des Winters. Der Sonnenschein aber nahm den Rauhreif wieder von den Zweigen.
And in quiet thought old Winter looked at the leafless forest, where the graceful form and bends of each tree and branch could be seen; and while Winter slept, icy mists came from the clouds, and the ruler dreamt of his youthful days and of his manhood, and in the morning dawn the whole forest glittered with hoar frost, which the sun shook from the branches,– and this was the summer dream of Winter.

"Wann kommt der Frühling?" fragten die Spatzen.
"When will Spring come?" asked the sparrows.

"Der Frühling?" erklang es wie Echo von den Hügeln, auf denen der Schnee noch lag. Und die Sonne schien wärmer und wärmer, der Schnee schmolz und die Vögel zwitscherten: "Der Frühling kommt."
"Spring!" Again the echo sounded from the hills on which the snow lay. The sunshine became warmer, the snow melted, and the birds twittered, "Spring is coming!"

Und hoch durch die Lüfte kam der erste Storch, der zweite folgte; ein schönes Kind saß auf dem Rücken jedes von ihnen und sie schwebten auf das offene Feld nieder und küßten die Erde und küßten den alten stillen Mann, der, wie Moses auf dem Berge, von einer Nebelwolke getragen, verschwand.
And high in the air flew the first stork, and the second followed; a lovely child sat on the back of each, and they sank down on the open field, kissed the earth, and kissed the quiet old man; and, as the mist from the mountain top, he vanished away and disappeared.

Die Geschichte des Jahres war zu Ende.
And the story of the year was finished.

"Das ist sehr richtig!" sagten die Spatzen, "und es ist auch sehr schön, aber es stimmt nach dem Kalender nicht und deshalb ist es doch verkehrt!"
"This is all very fine, no doubt," said the sparrows, "and it is very beautiful; but it is not according to the calendar, therefore, it must be all wrong."